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Chinas Trojanisches Pferd: Mexikos Rolle im Handelskrieg mit den USA

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BMW produziert schon in Mexiko. Jetzt will auch der chinesische Elektroautobauer BYD ein Werk errichten und jährlich 150 000 Fahrzeuge fertigen.
BMW produziert schon in Mexiko. Jetzt will auch der chinesische Elektroautobauer BYD ein Werk errichten und jährlich 150 000 Fahrzeuge fertigen. © picture alliance/dpa

China nutzt Mexiko als Brückenkopf in den US-Markt. Ein cleverer Schachzug, der Washington Sorgen bereitet.

Die jüngste von vielen guten wirtschaftlichen Nachrichten für Mexiko kam dieser Tage aus dem fernen China. Die größte Fluggesellschaft des Landes, China Southern, kündigte die Aufnahme einer Direktverbindung zwischen Shenzhen und Mexiko-Stadt an. Zwei Mal die Woche will die Airline die südchinesische Industriemetropole und Sitz des weltgrößten Elektroautobauers BYD mit dem nordamerikanischen Land verbinden. BYD hatte im Februar den Bau eines Werkes in Mexiko angekündigt, anvisiert wird eine Produktion von 150 000 Fahrzeugen pro Jahr.

Mit der Fabrik will das Unternehmen in den Genuss der Vorteile des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens USMCA kommen und zollvergünstigt in die Vereinigten Staaten exportieren. Damit könnte BYD zugleich die hohen Abgaben und Beschränkungen umgehen, die das Weiße Haus gegen China verhängt hat und die dazu führten, dass die Exporte des asiatischen Landes in die USA im vergangenen Jahr um 20 Prozent zurückgingen. Profiteur war hier Mexiko, das erstmals seit zwei Jahrzehnten wieder mit einem Plus von 4,6 Prozent zum wichtigsten Exporteur in die USA aufstieg.

Near-shoring-Phänomen: Chinas großes Interesse an Mexiko

In Washington hält sich die Euphorie über Mexikos Boom allerdings in Grenzen. China umgehe die Handelsbeschränkungen und nutze Mexiko als Hintertür, um zu günstigen Konditionen in den US-Markt einzudringen, so der Tenor. Der Interessenverband „Alliance for American Manufacturing (AAM)“ etwa, der sich für die Schaffung lokaler Arbeitsplätze einsetzt, warnte jüngst vor einer „existenziellen Bedrohung“ für die US-Autoindustrie durch chinesische Importe, die über den Umweg Mexiko in die USA kommen.

Das wachsende Interesse Chinas an Mexiko ist Folge des Near-shoring-Phänomens, das dem lateinamerikanischen Land seit Ende der Pandemie hohe Investitionen und starkes Ansiedlungsinteresse einbringt. Nach Angaben des mexikanischen Wirtschaftsministeriums erreichten die chinesischen Direktinvestitionen im Jahr 2022 mit 587 Millionen Dollar einen historischen Höchststand. Gleichzeitig stieg der Handel zwischen den beiden Ländern laut Zentralbank Banxico in den vergangenen vier Jahren um 38 Prozent.

Beim Nearshoring verlegen Unternehmen ihre Produktion näher an ihre Zielmärkte. Diese neue Regionalisierung ist Folge der Corona-Pandemie, die die Anfälligkeit langer Lieferketten offenbarte. Aber auch ohne Störungen bleibt der Zeitfaktor entscheidend: Während der Transport von Waren aus China in die USA per Schiff bis zu zwei Wochen dauert, gelangen in Mexiko produzierte chinesische Güter innerhalb von nur zwei Tagen per Lkw auf die US-Märkte.

So kann beim US-Zoll getrickst werden

Das Nearshoring ist aber auch Folge der Handelsspannungen zwischen Washington und Peking. Diese zwingen global agierende chinesische Unternehmen, ihre Betriebe in Länder zu verlagern, wo sie vor eventuellen Handelssanktionen geschützt sind. Und gerade in Mexiko profitieren sie zudem von den Vergünstigungen des Freihandelsabkommens „United States-Mexico-Canada Agreement“ (USMCA).

Die USA erheben auf in China hergestellte Elektroautos einen regulären Zollsatz von 2,5 Prozent plus einem Zusatzzoll von 25 Prozent. Letzterer wurde während der Präsidentschaft von Donald Trump eingeführt und von seinem Nachfolger Joe Biden verlängert. In Mexiko gefertigte Fahrzeuge hingegen kommen weitgehend zollfrei in die USA, sofern sie bestimmte Anforderungen erfüllen. Und ausländische Unternehmen, die sich ordnungsgemäß mit Tochterfirmen in Mexiko niederlassen, genießen laut USMCA alle Rechte und Privilegien eines mexikanischen Unternehmens.

In der Konsequenz könnten die Chinesen mit ihren mexikanischen Dependancen gewissermaßen als trojanisches Pferd auf den US-Markt drängen. Bereits im Dezember besuchte die US-Finanzministerin Janet Yellen Mexiko daher mit einer klaren Botschaft: Ausländische Direktinvestitionen in Mexiko dürften die nationale Sicherheit der USA nicht gefährden.

Die Tücken im Wirtschaftswunderland Mexiko

Der US-Wirtschaftsverband AAM verweist auf eine Analyse des Thinktanks „Economic Policy Institute“, der zufolge die chinesischen Direktinvestitionen in Mexiko zwischen 2018 und 2022 um 126 Prozent gestiegen seien. Der Großteil dieser Investitionen fließe in den Automobilsektor und die Fahrzeuge seien in erster Linie für den Export in die USA bestimmt. Daher fordert AAM, die Zölle auf chinesische Automobilimporte weiter zu erhöhen und die anberaumte Revision des Freihandelsabkommens USMCA 2026 dazu zu nutzen, „die Ursprungsregeln für alle Automobilinhalte zu verschärfen“.

Das dürfte dann nicht nur China treffen. Insgesamt erreichten 2023 die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) in Mexiko mit 36 Milliarden Dollar einen neuen Rekord. Dies entsprach einem Plus von 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr und war der höchste jemals verzeichnete Betrag. Die Vereinigten Staaten waren mit einem Anteil von 13,6 Milliarden Dollar (38 Prozent der Gesamt-FDI) der wichtigste ausländische Investor, getragen vor allem vom Automobil- und Bankensektor. An zweiter Stelle lag Spanien mit großem Abstand (3,8 Milliarden Dollar), gefolgt von Kanada (3,5) und Japan (2,9). An fünfter Stelle kommt Deutschland (2,4 Milliarden).

Allerdings sei das neue Wirtschaftswunderland inzwischen an strategischen Punkten mit dem Boom, warnte kürzlich die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Mexiko mangele es an einer verantwortungsvollen Wasserbewirtschaftung, es weise eine geringe Produktivität und viele Ungleichheiten auf, sei immer noch stark von umweltschädlichen Energiequellen abhängig und erhebe vor allem nicht genügend Steuern, kritisiert die OECD in ihrem jüngsten Bericht zu Mexiko.

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